The next generation – vom Handy zum Image
Wie wichtig sind Ihnen heutzutage Handys? Die spontanen Antworten der Statussuchenden, der Luxus-Liebenden, der Trendsetter, der Erstbesitzer oder der Per-Handy-Kontakt-Suchenden und Normaltelefonierer spiegeln ein Zeichen der Zeit wider: ein Handy verrät unter Umständen mehr über seinen Besitzer als dies Ausbildung, gesellschaftlicher Status oder ähnliche Dinge vermögen. Das Handy reift in diesen Tagen zu einem Imagefaktor, der noch dazu leicht und günstig – problemlos eben – zu erwerben ist. Ein ideales Feld zum "Austoben" für Industrie-Designer, die eine beständige Herausforderung nicht scheuen.
Mango Design
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Firma Nokia: Das Nokia 6800 Mobile Phone wurde mit dem reddot award 2003 ausgezeichnet
Das Braunschweiger Designer-Paar Anlauff nützte schon sehr früh diese vielversprechende Chance. Bereits 1998 gaben sie mit der Entwicklung des Softkey Interface für den Klassiker Nokia 2110 einen weltweiten Standard bei Mobiltelefonen vor. Den anfänglichen Kontakt zu dem finnischen Handygiganten stellte die Diplom-Designerin Andrea Finke-Anlauff während ihres Aufbau-Studiums in Helsinki her, da sie bei Nokia gelegentlich arbeitete und somit quasi den Fuß in der Tür hatte. In der Zwischenzeit ist Nokia mit gut Dreiviertel des gesamten Arbeitsvolumens der Hauptkunde des Braunschweiger Designbüros. Sechs feste Mitarbeiter – allesamt Profis aus den Bereichen Industrial Design, Kommunikationsdesign, Modellbau und Softwareentwicklung – kümmern sich um die Kernarbeit, ständig unterstützt und mit frischen Ideen versorgt durch einige freie Designer. Dadurch ist ein reibungsloser und - gerade für die sich rasant entwickelnde Kommunikations-Branche – interdisziplinärer Designprozess gewährleistet.

Wie geht nun ein "Handy-Spezialist" an ein neues Projekt heran und, vor allem: wie definiert er aus der Sicht des Designers den so inflationär wie oftmals auch fälschlich verwendeten Begriff des Designs? Der diplomierte Designer Markus Anlauff klärt uns auf: "Wir bei Mango Design verstehen Design als ganzheitlichen Prozess, der Hand in Hand mit der technischen Entwicklung bei unseren Kunden gehen sollte, sprich, eine umfassende und kontinuierliche Beratung ist essentiell. Dabei geht es weit um mehr als nur die Schaffung einer schönen äußeren Form. Wir kombinieren die Anwendungs- und Wahrnehmungsfaktoren zu einem optimalen Mix aus wirkungsrelevanten Eigenschaften."

Mango Design
Das Nokia 810 Car Phone mit Display erhielt den IF Award 2004
Mit diesem Designverständnis kamen die Designschmiede auch diesjährig wieder zu einem messbaren Erfolg: das Nokia 810 Car Phone erhielt den renommierten IF Award 2004 für seine Bedienerfreundlichkeit, die aufgrund der gleichbleibenden Logik der Menüführung fast schon symptomatisch für alle Nokia-Geräte ist.

Am Anfang einer neuen Produktentwicklung stehen bei Mango Design aufgrund des kreativen phantasiereichen Interpretationsspielraums eine Reihe an Handskizzen und Skribbles. Das Augenmerk liegt in diesem ersten Schritt besonders auf der Erzeugung verschiedener Alternativen, die dem Kunden erstmals präsentiert werden können. Eine Alternative wird dann letztendlich nur ausgewählt und weiterverarbeitet.

Nun baut Anlauff die frei gegebenen Skribbles als 3D-Konstrukte auf, erst einfach und grob strukturiert, dann immer genauer und linientreuer, mit Details und Platzhalter für die technischen Einbauten. Seit 1993 verwenden die Mango-Designer dafür unter anderem den Freiform-Flächenmodellierer Rhinoceros, da sie in den Anfangsjahren der CAD-Technologie die meist astronomisch hohen Kosten für die sonst am Markt übliche Konstruktions-Software nicht tragen konnten und wollten. Das leistungsfähige Rhinoceros bewegte sich dagegen stets in für kleine Firmen absolut tragbaren Kostengrößen. Zudem lässt Rhino – wie es in Fachkreisen gerne genannt wird – wegen seines NURBS-Aufbaus ein effizientes und schnell erlernbares Konstruieren am 3D-Modell zu. Die so gewonnenen 3D-Datensätze können dann problemlos an die Konstrukteure geschickt werden, die anhand der Datensätze detail- und maßstabgetreue Modelle erstellen können.

Doch was passiert nun bei Mango-Design mit einem vorkonstruierten und grob gerenderten 3D-Modell? Da nur ein kontinuierlicher Dialog mit dem Kunden auch den gewünschten Erfolg mit sich bringt, wird das noch virtuelle Modell in einer Präsentation vorgestellt. Bei einem positiven Eindruck erhält die Fräsmaschine die Konstruktionsdaten als STL und fräst ein Schaummodell mit einem möglichst ähnlich haptischen Effekt, wie man sich das Endprodukt eben vorstellt. Eine erneute Präsentation beim Kunden gibt Klarheit über ein Weiter oder Stop des Designprozesses. Dies ist der wichtigste Schritt: Da es sich bei einem Handy ja per se um ein Produkt handelt, das bestimmungsgemäß den Tastsinn anspricht, ist folglich ein lebhaftes, reales Modell für den Kunden Nokia von überaus großer Bedeutung. Auch praktische Überlegung wie die Maße des Handys, das ja z.B. als Autotelefon mit den unterschiedlichsten Autohersteller kompatibel sein muss, gehen in die Bewertung ein. Der haptische Effekt steht also gerade bei diesem Produkt an oberster Entscheidungsstelle und kann über Hopp oder Topp der Designstudie entscheiden. Aus diesem Gunde wird die meist zeitaufwendige Arbeit an den Renderings bei Mango Design stark reduziert, begründet eben in der Eigenschaft des Produktes.

Solche sogenannten Zwischenmeetings finden in der Regel alle zwei Wochen statt, da sowohl der Designer als auch der Kunde einerseits den Fortschritt der Arbeit überprüfen möchten. Andererseits möchte man auf beiden Seiten wissen, ob der Designprozess auch in die gewünschte Richtung geht und ob die eigenen Visionen und Wünsche berücksichtigt und gewürdigt werden. Die Designstudie um das Nokia 810CarPhone zum Beispiel zog sich bis zur Marktreife fast eineinhalb Jahre hin – von den Skribbles zum 3D-Modell, von Präsentation zu Präsentation, von Meeting zu Meeting. Doch diese eineinhalb Jahre Arbeit und Ideen kreierten ein neues Image. Zumindest ein neues Handy-Image. Die Welt der mobilen Kommunikation kann nun gespannt darauf sein, was aus der Ideenquelle um das Mango-Design-Team Neues heraussprudeln wird. Lassen wir uns überraschen!

© flexiCAD e.K.

von Stefan Roth / flexiCAD.com