Mit Rhinoceros aufs Wasser
Schon seit fast 30 Jahren liefern sich Segelprofis jeglicher Couleur mit dem "Whitbread Round the World Race" regelmäßig die härteste Hochseeregatta der Welt. Nicht minder populär ist der "America’s Cup" über den Atlantik oder die alljährlich zelebrierte Kieler Woche. Und selbst die regional historische Segelregatta "Münchner Woche" auf dem Starnberger See beflügelt die Phantasien der Zuschauer und lässt Gefühle der Freiheit und des Abenteuers aufkommen.
Carpe Diem Yacht Design
Klaus Röder, Inhaber von Carpe Diem Yacht Design
Klaus Röder "verfiel" bereits im Kindesalter dieser Leidenschaft, machte vor über fünfzehn Jahren sein Hobby zum Beruf und ist bis heute selbst passionierter Segler. Als erfolgreicher Abgänger des Studiums Yacht & Powercraft Design am Southampton Institut machte er sich 1995 mit einem Ingenieurstitel in der Tasche als Yachtkonstrukteur selbständig. Vor seinem Studium untermauerte er seine Ausbildung mit einer klassischen Berufsausbildung zum Bootsbauer in den Starnberger Werften Obermaier & Schmucker. Schöner Nebeneffekt: er ist dadurch ideal für eine meist Projekt entscheidende Zusammenarbeit mit den Bootsbauern in den Werften gerüstet, da diese in Klaus Röder einen versierten und kompetenten Yachtkonstrukteur sehen. Ganz im Sinne einer Seglermentalität nannte er sein Konstruktionsbüro Carpe Diem Yacht Design und fand in einem pittoresken Holzhaus in Tutzing am Starnberger See eine "artgerechte" Bleibe.

Carpe Diem Yacht Design
Yacht Galaxy I mit Mahagoni-Deck
Klaus Röder ist ein besonderer Liebhaber edler Materialien wie dem nachhaltig nutzbaren Mahagoni für den Aussenbereich oder dem für seine Fugen- und Formfestigkeit bekannten Teak für das Interieur. Je nach Art des Kundenauftrags – Röders Portfolio umfasst die Realisierung von Yachten und Wasserfahrzeugen jeder Art, vom Ruderdinghi bis zur 40m Motoryacht incl. Bordsystemen – kommen diese Materialien auch zum Einsatz. Im Rahmen des Konstruktionswettbewerbs "Yacht des Jahres" der Fachzeitschrift Yacht erhielt sein 10,5 m Fahrtenschiff aufgrund seiner intelligenten Details und des attraktiven Retro-Designs den ersten Preis. Mittlerweile ist die Yacht in der Türkei realisiert worden. Allen Konstruktionsleistungen ist jedoch eines eigen: die Planung nach den Bestimmungen der von der EU eingeführten CE-Richtlinie, die einen einheitlichen Mindeststandard im internationalen Yachthandel gewährleisten soll. Zudem erhält jedes realisierte Boot bei CDYD ein individuelles Handbuch, und selbst der umfangreiche Bereich der Hydrostatik und die Prüfung der Stabilität laufen über Röders Schreibtisch.

Carpe Diem Yacht Design
Bildberechnung mit Flamingo, Wellendarstellung inklusive
Mit Carpe Diem Yacht Design betreibt Röder ein Einmann-Büro und zählt dank der Computer unterstützten Modellierung zu dem erlauchten Kreis von lediglich 10 Yachtkonstrukteuren, die in Deutschland zu 100% vom Yachtbau leben. Seit Einführung der ersten CAD-Programme ist der Einsatz von 2D-Konstruktionszeichnungen im Schiffs- und Yachtbau üblich. Die ausgedruckten 2D-Modelle wurden auf Papier geklebt und dienten als Konstruktionsgrundlage für den Bootsbauer. Doch gerade bei Fahrtenyachten, die immer größer und komplexer in Anforderung und Ausstattung werden, kam es bei den 2D-Zeichnungen vermehrt zu Überschneidungsproblemen, die erst kurz vor dem realen Bau auf der Werft aufflogen und kostenintensive, unnötige Nachbesserungen verlangten. Klaus Röder modelliert daher lieber gleich von Anfang an in 3D und verzichtet meist auf die sonst üblichen Handzeichnungen und den Modellbau.

Carpe Diem Yacht Design
Heckansicht mit Wasserlinie und Tiefgang im 3D-CAD-Modell
Schon während des Studiums begann er sich mit dem 3D-Programm Multisurf zu beschäftigen, konstruiert jedoch damit heute ausschließlich den Rumpf und den Kiel. Alle anderen Teile erstellt er mit dem NURBS-Flächenmodellierer Rhinoceros®, zu dessen Kauf er sich vor kurzem entschieden hat – nicht nur aufgrund des günstigen Anschaffungspreises. Rhinoceros® erlaubt eine einfache und schnelle Handhabung der bei Konstrukteuren von Hydroformen essentiellen Verrundungsbefehle und unterstützt einfache Gewichts-, Massenschwerpunkts- sowie hydrostatische Berechnungen. Außerdem fordert Rhinoceros® bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium Entscheidungen über den Fortgang der Konstruktion – Funktionen, die ein parametrischer Modellierer nicht oder nur kaum erbringen kann.

Carpe Diem Yacht Design / flexiCAD e.K.
3D Bootsmodell in CAD-Software Rhinoceros
Generell bietet heutzutage eine frühzeitige Modellierung in 3D viele Vorteile im Vergleich zum herkömmlichen 2D-Zeichnen. An erster Stelle ist die Möglichkeit zu nennen, unsaubere Modellierungen und ungewollte Zusammenstöße der Bauteile durch eine frühe digitale Überprüfung vermeiden zu können. Ferner kann der Aufbau der Yacht noch vor der ersten Verarbeitung eines – meist teuren – Holz- oder Compositteiles den Bootsbauern zur Vermeidung von Mißverständnissen dreidimensional visualisiert werden. Die Kunden erhalten vor allem durch die Computer unterstützte Darlegung bestimmter Funktionsweisen des Bootes ebenfalls sehr frühzeitig einen ersten Eindruck, wie ihr zukünftiges Boot aussehen und funktionieren wird. Sowohl Kunde als auch verantwortlicher Designer bekommen somit einen größeren Spielraum für eventuelle Änderungen. Und Änderungswünsche fallen sicherlich an, sind doch knapp 90% aller Aufträge kosten- und zeitintensive Einzelexemplare, die von wohlhabenderen Leuten in Auftrag gegeben werden, ihr Steckenpferd auslebend. Das klassische Boot von der Stange findet man bei CDYD nicht. Lediglich gelegentliche Serienverkäufe von maximal zehn bis zwanzig Booten durchbrechen diese Maxime.

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Spaß muß sein: Bootsfahrt am See mit der Galaxy I
Doch zurück zu Röders Geschäft mit der Segelleidenschaft. Vom ersten Gespräch bis zur Jungfernfahrt – CDYD begleitet jedes Projekt vom Beginn bis zum Ende. Am Anfang steht ein Emailkontakt mit den Wünschen und finanziellen Möglichkeiten des zukünftigen Bootseigentümers. Ein anschließendes Gespräch unter vier Augen soll die oft ausufernden Vorstellungen kanalisieren und bietet dem Kunden die Möglichkeit, eine Liste mit den "Do’s" und "Dont's" vorzulegen. Parallel dazu wird der Bootsmarkt nach Booten mit diesen gewünschten Eigenschaften durchsucht, denn unter Umständen fährt der Investor mit dem Kauf eines Serienbootes, das die Großzahl seiner geforderten Kriterien vereint, billiger, als mit einer Einzelanfertigung. Der entscheidende Kostenfaktor ist hierbei nicht der Arbeitsaufwand des Konstruktionsbüros CDYD, sondern der enorme Stückkostenpreis, der ja nicht auf mehrere Exemplare umgelegt werden kann.

Carpe Diem Yacht Design
Cartoon-Darstellung aus Penguin: Ideal für die technische Beschreibung
Nach der gemeinsamen Festlegung auf eine Klassifikation beginnt Röder mit der Modellierung des maßgeschneiderten Bootes, indem er einen 3D-Vorentwurf in Rhino erstellt. Neben Seitenansicht, Draufsicht und Linienriss fügt er gerne auch einmal Handskizzen von Details bei. Der Rumpf, die Rigg-Komponenten und ein Standard-Segelaufbau werden in der Regel als vormodellierte Modelle von der Festplatte hochgeladen, da der Vorentwurf keine realen Details, sondern lediglich Größenverhältnisse illustrieren soll. Daher auch die zahlreichen informativen Icons, deren Aufgabe es ist, einen ersten Eindruck über die verschiedenen Funktionalitäten und Merkmale des Bootes wie z.B. Bullaugengröße, Sitzplätze etc. zu vermitteln. Das Rhinoceros® Plug-In Penguin® liefert hierzu ideale Ergebnisse, da dieser nicht-photorealistische Renderer keine – zu diesem Zeitpunkt noch unwichtige – Details rendert, sondern grobe Strukturen betont und illustriert. Natürlich schwingt hier immer ein wenig Röders Anspruch an ein Boot mit, demgemäß es so leicht wie möglich und im Idealfall bei jedem Wetter segelbar sein soll.

Carpe Diem Yacht Design
Bootsbau Schritt 1: Aufbau des Grundgerüsts aus den Mallen
Wenn dieser Vorentwurf inklusive dem Materialvorschlag Röders vom Kunden akzeptiert wird, liegt es an dem Kunden, mit einer – gerne von CDYD empfohlenen – Werft die Machbarkeit der Konstruktion nochmals abzuklären und einen Bauvertrag zu schließen. Anschließend tritt die Werft mit Klaus Röder in Verbindung und fordert die üblicherweise auf Papier geplotteten 3D-Konstruktionspläne an, die zur Vermeidung von Unstimmigkeiten sowohl vom Kunden als auch der Werft unterschrieben werden müssen. Um eine größtmögliche Genauigkeit beim Bau komplexer Teile zu erreichen, werden manche Pläne sogar im Maßstab 1:1 auf verzugfreier Folie ausgehändigt. Obwohl der Datenex- und import mit Rhinoceros® problemlos funktioniert, verzichtet man in dieser Produktionsstufe aus Angst vor eventuellen Verschiebungen innerhalb des 3D-Modells und den damit verbundenen Mehrkosten auf den digitalen Datentransfer.

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Bootsbau Schritt 2: Aufplanken der Rumpfschale
Nun ist es endlich soweit: die Konstruktion des Wunschbootes in der Werft kann beginnen. Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, hält Röder oftmals die Bauaufsicht inne. Zeitgleich schickt er 3D-Daten des Modells an die Schreinerei, die dann die Mallen oder auch Schotte in Holz lasert. Die fertigen Mallen, ein innenliegendes Sperrholzgerüst zur Formgebung des Bootes, gehen zurück an die Werft, die darauf den Kiel und die konkav/konvex gefrästen Planken Stück für Stück montiert. Nun entfernt der Bootsbauer das Hilfsgerüst wieder aus dem vollständig aufgeplankten Bootsrumpf und passt die quer verlaufenden Spanten ein, die einen wesentlichen Teil der Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion übernehmen. Auf den Konstruktionsplänen ist dieser so genannte Spantenriss jeweils von vorn und von achtern zu sehen.

Carpe Diem Yacht Design
Bootsbau Schritt 3: Spannten verleimen
Summa summarum kann Carpe Diem Yacht Design eine Reihe an Einzelkonstruktionen vorweisen, wobei oft unkonventionelle Wege beschritten und Lösungen in enger Kooperation mit der Werft erarbeitet werden mussten, um Kundenwünsche zu erfüllen und die strengen Sicherheitsanforderungen einzuhalten. Im Jahr 2002 konnte Röder drei Segelyachten zu Wasser lassen. Weitere fünf – darunter ein 12 Meter Katamaran – sind derzeit in Planung, deren Bau in Europa verteilt unter Aufsicht des Planungsbüros und den Vorgaben des Kunden erfolgt. Röder zeichnet auch für den bereits zweimalig verkauften nationalen 45 m²-Kreuzer der Bootswerft Glas, bei der er Anfang der Neunziger Jahre als Bootsbauer unter Vertrag stand, verantwortlich. Das aktuelle Projekt Abraxas zeigt, wohin der Weg des Binnenreviersegelns mit Monohull-Booten führt. Leichte moderne Rümpfe mit klarem Decklayout, großen Segelflächen und möglichst wenig technischen Spielereien stellen die Yachtdesigner vor eine neue Herausforderung und prägen die zukünftige Bootsarchitektur. Klaus Röder sitzt bereits jetzt schon in Startposition für diese neue Entwicklung.

© flexiCAD e.K.

von Stefan Roth / flexiCAD.com